Wie gelangen resistente Bakterien aus dem Tierstall in die Umwelt und zum Menschen, was wird dazu im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS geforscht und welche Maßnahmen können die Verbreitung der Resistenzen verhindern? Darum geht es in Folge 5 des Podcasts „Mikroben im Visier“.
Die industrielle Tierhaltung ist eine der Hauptquellen für die Entstehung und Ausbreitung von Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind. Denn zur Behandlung von kranken Nutztieren wie Rindern, Schweinen und Geflügel, aber auch zur Vorbeugung von Krankheiten werden große Mengen an Antibiotika eingesetzt. Etwa drei Viertel aller produzierten Antibiotika werden an Tiere verabreicht. Der Einsatz von Antibiotika führt dazu, dass resistente Bakterien entstehen. „Diese werden über Tierkot ausgeschieden, gelangen als Gülle auf die Felder und damit in die Umwelt, oder können auch über Fleisch, Milch und Eier zum Menschen gelangen“, erklärt Dr. Tina Kabelitz vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam. Die Biologin leitet dort die Arbeitsgruppe „Infektionen und antimikrobielle Resistenzen in der Nutztierhaltung“ und betreut mehrere Projekte im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS.
In der aktuellen Folge des Podcasts „Mikroben im Visier“ haben sich die Moderatoren Elisabeth Pfrommer vom Robert Koch Institut und Christian Nehls vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz-Lungenzentrum ausführlich mit Tina Kabelitz über die Ausbreitungswege von Resistenzen und mögliche Gegenmaßnahmen unterhalten. Dabei ging es auch um Staub aus Hühnermist, um Hygiene im Stall, um Tierwohl und Haltungssysteme mit Auslauf und warum Wasserpfützen im Auslauf vermieden werden sollten.
Ausbreitung von Resistenzen über die Luft
Die Luft oder genauer gesagt Staubpartikel mit Mikroben in der Luft, sogenannte Bioaerosole, sind ein wesentlicher Faktor bei der Ausbreitung von Erregern allgemein und auch von Resistenzen. Resistente Bakterien oder ihre Resistenzgene können an Staub haften und als Bioaerosole in die Umgebung abgegeben und dann von Menschen eingeatmet werden. „Wir haben untersucht, inwiefern Staub, der entsteht, wenn Hühnermist auf dem Feld ausgebracht wird, eine Gesundheitsgefahr für die Umgebung, also Menschen und Tiere, in der Umgebung darstellt“, berichtet Kabelitz. Da Hühnermist von Natur aus trocken ist, staubt es häufig sehr stark beim Ausbringen. Dieser Staub ist noch in 1000 Meter Entfernung vom Feld nachweisbar. Ab einer Entfernung von 400 Metern bestand aber keine oder nur eine sehr geringe Gesundheitsgefahr für Menschen und Tiere.
Die Wissenschaftlerin untersucht nicht nur, wie resistente Erreger aus der Tierhaltung in die Umwelt gelangen, sondern sucht auch nach Wegen, die Ausbreitung zu verhindern, etwa durch besondere Haltungsmaßnahmen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei auch das Tierwohl. Tiere, die mehr Platz und Umweltkontakt haben sowie gutes Futter erhalten, sind weniger gestresst und weniger anfällig für Krankheiten, müssen demzufolge auch weniger Antibiotika bekommen. „Da gibt es auch ganz viel Potenzial, wirtschaftlicher zu sein und nachhaltiger zu sein, wenn man den Tieren bessere Haltungsbedingungen liefern kann“, betont Tina Kabelitz.
Neue Herausforderung durch offene Tierhaltung
Gleichzeitig bringen offene Haltungssysteme auch neue Herausforderungen mit sich. Das betrifft nicht nur den Platzbedarf und höhere Kosten für Bau und Unterhaltung der Anlagen, sondern auch für die Übertragung von Krankheiten. Kabelitz: „Denn durch diese offenen Systeme können Krankheitsreger natürlich viel einfacher in den Stall gelangen, aber auch der Weg in die andere Richtung. Also die Übertragung vom Stall in die Umwelt ist dadurch erleichtert, zum Beispiel durch die Ausläufe nach Draußen.“ Wie sich diese Risiken minimieren lassen, erklärt die Expertin ebenfalls im Podcast. Eine Maßnahme ist zum Beispiel ein doppelter Zaun in der Schweinehaltung. Dadurch wird der Kontakt mit Wildschweinen vermieden, die wesentliche Überträger für die afrikanische Schweinepest sind. „Dann sollte um den Stall herum ein gewisser Bereich mit Schotter ausgelegt werden. Das verhindert die Bildung der Wasserpfützen, aber auch den Eintrag von Sand und Schmutz in den Stall, wenn die Tiere reingehen.“ Wasserpfützen sind unerwünscht, weil sie attraktive Brutstätten für Insekten sind, die resistente Erreger übertragen können. Außerdem locken Wasserpfützen auch Wildvögel an, die dann zum Beispiel Krankheitserreger wie Vogelgrippeviren ins Wasser übertragen können.
Der Podcast „Mikroben im Visier. Infektionen verstehen, Resistenzen besiegen!“ ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar. Hier geht es direkt zur fünften Folge: https://mikroben-im-visier.podigee.io/5-neue-episode
INFECTIONS-Forscherin Dr. Tina Kabelitz leitet die Arbeitsgruppe „Infektionen und antimikrobielle Resistenzen in der Nutztierhaltung“ am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam. Foto: Tina Kabelitz